Kommunalpolitik hat einen großen Einfluss auf die Lebensqualität der Bürger vor Ort. Die Beschlüsse der Gemeinderäte und Verwaltungen sollen möglichst einen Mehrwert für die Allgemeinheit schaffen. Mit einer neuen Beteiligungsmethode will das deutsch-israelische Unternehmens Insights dazu beitragen, diese Entscheidungen inklusiv zu gestalten.
Dabei geht es darum, die Expertise von Verwaltungsmitarbeitern mit zusätzlichem Wissen von relevanten Stakeholdern (also Interessenten und Betroffene wie Bürger, Unternehmer, Vereine oder Verbände) zu ergänzen und die Entscheidungsgrundlage anzureichern. Inklusive Entscheidungsprozesse ermöglichen es, die Weisheit der Vielen zielführend und im Sinne besserer Entscheidungen für die Allgemeinheit zu nutzen.
Mit der Technologie von Insights kann das Wissen hunderter Stakeholder gezielt aufgenommen und zu wesentlichen Erkenntnissen verdichtet werden. Entscheider auf kommunaler Ebene erhalten so konstruktive Ratschläge zu konkreten Fragestellungen direkt von ihren Stakeholdern – ohne hunderte Antworten lesen zu müssen. Die Besonderheit der Software-Lösung liegt darin, dass die Stakeholder aktiv an der Verdichtung der Antworten zu Erkenntnissen mitwirken können, indem sie kleine Analysearbeiten übernehmen. So sparen Kommunen wichtige Ressourcen. Sie können zudem Teilnehmer in zweifacher Hinsicht einbeziehen und so deren Identifikation mit dem Prozess weiter erhöhen. Mit einer abschließenden, personalisierten Rückmeldung erfährt der Teilnehmer, welche Erkenntnis aus dem individuellen Beitrag gewonnen werden konnte und wie dieser die Entscheidung beeinflusst hat. Um möglichst viele Personen einzubinden, wird in der Regel ein crossmedialer Ansatz gewählt. Neben der direkten Beantwortung der Fragestellung im Internet, per E-Mail oder per SMS, können Antworten auch im Rahmen von Veranstaltungen (Runde Tische, Gesprächsrunden, World Cafés) aufgenommen werden. Alle abgegebenen Beiträge werden auf der projekteigenen digitalen Plattform von Insights online zusammengeführt und transparent dargestellt.
In zahlreichen Beteiligungsprojekten wurde die Methode von Insights bereits angewendet. In Austin, der Hauptstadt des US-Bundesstaats Texas, ging es um das Thema Müllvermeidung. Bob Gedert, Leiter der Abfallwirtschaft in der Stadtverwaltung Austin, stellte fest, dass die Recyclingquote in der gesamten Stadt nicht zufriedenstellend war. Wichtige Rohstoffe gehen so auf den Mülldeponien der Stadt ungenutzt verloren und belasten die Natur unnötig. Deshalb wurden Bürger und weitere Stakeholder eingeladen, auf die Frage „Was können wir tun, damit weniger recycelbarer Müll auf der Mülldeponie landet?“ eine Antwort abzugeben.
Um möglichst viele Menschen zu erreichen und zahlreiche Ratschläge zu der zentralen Frage zu sammeln, wurde auf eine Verzahnung von Vor-Ort-Beteiligung und Online-Beteiligung gesetzt. Über verschiedenste soziale Medien und Newsletter wurden Stakeholder zur Partizipation eingeladen. Auf der Insights-Website der Stadtverwaltung Austin konnten über mehrere Wochen Antworten abgegeben werden. Zudem wurden alle Beiträge, die bei Fokusgruppen, Runden Tischen und weiteren Veranstaltungen gesammelt wurden, mitgeschrieben und online gestellt.
Insgesamt konnten mehr als 1.200 Antworten verzeichnet werden, die in kürzester Zeit von den Teilnehmern zu elf Erkenntnissen verdichtet wurden. Dieser Ansatz der Crowdanalyse ist effizient, transparent, kollaborativ und sichert eine hohe Qualität der Ergebnisse. Die in Austin gewonnenen Erkenntnisse enthielten dabei sowohl innovative Ideen als auch naheliegende Vorschläge zur Steigerung der Recyclingquote. Eine Erkenntnis war beispielsweise, dass in den Haushalten mehr recycelbarer Müll anfällt, als in die entsprechende Mülltonne passt. Auf diese klare Erkenntnis konnten Bob Gedert und sein Team unmittelbar reagieren und sämtlichen Bürgern, deren Antworten mit dieser Erkenntnis verbunden waren, ein personalisiertes Feedback senden. In Zukunft soll die Abholung der Recyclingtonne von einem zweiwöchigen auf einen einwöchigen Rhythmus umgestellt werden. Auch die anderen zehn Erkenntnisse bildeten eine starke Entscheidungsgrundlage für Bob Gedert und sein Team, aus denen konkrete Maßnahmen entwickelt werden konnten.
Der Kreis Stendal in Sachsen-Anhalt nutzt die Technologie von Insights ebenfalls. Der Kreis ist Modellregion im Förderprogramm Land(auf)schwung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Ziel ist es, unter anderem durch Digitalisierung eine hohe Lebensqualität in der Region Altmark zu erreichen. Um die richtigen digitalen Projekte und Angebote zu unterstützen, hat der Kreis Stendal beschlossen, die Bürger einzubinden.
Ähnlich dem Prozess in Austin wurden verschiedene Kommunikationskanäle kombiniert. Über vier Wochen konnte die Frage, wie Internet-Angebote das Leben in der Altmark verbessern können, direkt auf der Insights-Website der Kreisverwaltung oder per SMS beantwortet werden. Darüber hinaus waren die Bürger der Region am Rande des AltmarkMacher Festivals im Juni 2016 eingeladen, Antworten an Laptop-Stationen einzugeben. Durch eine frühzeitige Einbindung wurden innovative Projektideen entwickelt und ein Überblick über die Bedarfssituation gewonnen. Sinnvolle Projekte können nun vom Kreis Stendal gefördert und die Altmark digital weiterentwickelt werden.
Abgesehen von der zentralen Bedeutung eines flächendeckenden Internet-Zugangs für die Entwicklung der Altmark, wurden von den Beteiligten verschiedenste Handlungsfelder herausgearbeitet und konkrete Lösungen entwickelt. Dabei wurden im Bereich Tourismus, der einen wichtigen Wirtschaftszweig in der Region darstellt, verschiedenste Web-Angebote vorgeschlagen, die die Suche nach Veranstaltungen und Angeboten in der Region für Touristen, aber auch für die einheimische Bevölkerung erheblich erleichtern. Ein weiterer innovativer Vorschlag war die Bereitstellung von digitalisierten Info-Points, die Touristen schnelle Informationen zu Sehenswürdigkeiten, Unterkünften und Radwegen liefern könnten. Auch die Entwicklung von E-Government-Angeboten wurde als Handlungsfeld identifiziert.
Unabhängig vom Handlungsfeld wurde betont, dass alle Angebote möglichst niederschwellig sein sollten und es zusätzlich Bildungsangebote für ältere Bürger geben sollte, um die notwendige Medienkompetenz zu vermitteln. So kann sichergestellt werden, dass auch die ältere Generation von den entsprechende Angeboten profitieren kann.
Dieser Beitrag ist in der März-Ausgabe der Kommune21 erschienen und unter diesem Link aufrufbar.