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Innovationslabor Re:think Austria

Im Interview mit Dominik Wörner, Mitgründer von Insights

Dominik WörnerDominik Wörner
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Am ersten Juniwochenende 2017 veranstaltete das Europäische Forum Alpbach dieses Jahr bereits zum fünften Mal das politische Innovationslabor Re:think Austria. Auf der 2-tägigen Konferenz in Linz diskutierten rund 70 AkteurInnen aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zum Thema „Demokratie und Beteiligung neu denken“, welche Beteiligungsformate zu einer Neugestaltung der liberalen Demokratie beitragen könnten. Die Stichworte hier lauten „Transparenz“ und „Partizipation“. Doch wie kann dies konkret umgesetzt werden?

Dominik Wörner, Mitgründer von Insights, war als Teilnehmer der Konferenz dabei und erklärt in einem anschließenden Interview, was für einen erfolgreichen Beteiligungsprozess entscheidend ist und wie Online-Beteiligung konkret umgesetzt werden kann:

Europäisches Forum Alpbach: Was ist Beteiligung für dich?

Dominik: Beteiligung ist für mich ein Prozess, in dem ein/e EntscheiderIn einen Entscheidungsprozess für das Wissen von Vielen öffnet. Das impliziert, dass ein Beteiligungsprozess von einer EntscheiderIn getrieben sein muss, die vorab legitimiert ist, eine Entscheidung zu treffen. Durch die Integration des Wissens der Vielen kann die Entscheidung verbessert werden. Als Nebenprodukt ist es dann möglich, auch alle weiteren Vorteile, die häufig mit Beteiligung in Verbindung gebracht werden, zu realisieren: Akzeptanz einer Entscheidung, einfachere Umsetzbarkeit, und eine gewisse Legitimität. 

Beteiligung scheitert dann, wenn wir anfangen, nur zu beteiligen, damit beteiligt wird. Wenn wir nicht klar kommunizieren, dass wir danach eine Entscheidung treffen wollen, wie groß der Entscheidungsspielraum ist, und welches der Gegenstandsbereich ist, der verbessert werden soll, dann funktioniert Beteiligung nicht.

Europäisches Forum Alpbach: Auf welche Haltung kommt es an?

Dominik: Beteiligung braucht auf der Seite der Initiatoren von Beteiligung drei Voraussetzungen: Entscheidungsmacht gepaart mit dem Willen eine Entscheidung zu treffen sowie Offenheit und der Glaube an die Expertise der Vielen. Das erste ist keine Haltungsfrage, sondern eher ein Fakt: Ich rate davon ab, zu beteiligen wenn es nichts zu entscheiden gibt. Offenheit und der Glaube an die Expertise von Vielen sind Voraussetzungen dafür, dass die EntscheiderIn den Input wirklich aufnimmt und in die Entscheidung einfließen lässt.

Europäisches Forum Alpbach: Ein Erfolgserlebnis?

Dominik: Gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung haben wir einen Forderungskatalog für ein digitales Deutschland entwickelt. Wir haben mithilfe unseres Online-Tools 40 ExpertInnen in den Prozess eingebunden. Neben der hohen Qualität der Antworten war vor allem die Antwortquote mit über 90% sehr beeindruckend. Das hat gezeigt, dass Online tatsächlich funktionieren kann - auch auf einem qualitativ hohen Niveau. Zudem haben wir es geschafft, auf der Plattform ohne reales Treffen eine Community zu bilden: die TeilnehmerInnen haben ihre Profile bearbeitet, wollten gesehen werden, haben sich untereinander ausgetauscht und vernetzt.

Europäisches Forum Alpbach: Wie wichtig ist Online-Beteiligung für einen Beteiligungsprozess?

Dominik: Online ist letztlich nur ein Mittel – wenn auch ein sehr starkes –, um Beteiligung durchzuführen. Online-Beteiligung kann nicht die Probleme der „normalen“ Beteiligung an sich lösen. Dass sich durch Online-Beteiligung mehr Leute beteiligen, ist häufig nur eine Wunschvorstellung.

Zuerst muss sichergestellt werden, dass es Sinn macht, Menschen zu beteiligen – d.h. es gibt etwas zu entscheiden. In einem nächsten Schritt muss überlegt werden, welche Mittel man anwenden kann, um die entsprechende Zielgruppe zu erreichen. Online-Beteiligung kann natürlich ein „Enabler“ sein, weil wir mehr Leute schneller einbinden können und damit Transaktionskosten senken. Aber Online kann nicht die Verfahrensfehler eines Beteiligungsprozesses wettmachen.

Europäisches Forum Alpbach: Wann macht Online-Beteiligung Sinn?

Dominik: Wenn Standpunkte und Meinungen sehr stark ausgereift sind und alle Argumente bereits auf dem Tisch liegen, dann ist Online-Beteiligung häufig nicht mehr in der Lage weiterzuhelfen. Online-Beteiligung ist dann gut, wenn ein bestimmter Gegenstandsbereich neu erkundet werden soll, wenn eine Strategie entwickelt werden soll oder ein gemeinsames Ziel vorliegt und der beste Weg zu diesem Ziel gefunden werden soll. Interessant ist, dass in genau diesen Bereich auch die „offline“ Beteiligung am stärksten ist.

Europäisches Forum Alpbach: Wie vermeidet man Internet Trolling und ewiges Meckern bei einer Online-Beteiligung?

Dominik: Framing und die Botschaft eines Beteiligungsprozesses sind alles. Um Trolling zu verhindern, muss die Entscheidungsträgerin eine zukunfts- und zielorientierte Fragestellung formulieren, die ein Thema aufgreift, dass die Leute betrifft bzw. in dem sie Expertise einbringen können. Wenn eine Frage so formuliert ist, dann verstehen die Menschen, dass es um einen konstruktiven Ansatz geht. Zudem muss die EntscheiderIn seine Absicht hinter dem Beteiligungsprozess authentisch vermitteln können. Aus der Absicht zu Entscheiden und eine Herausforderung zu meistern, ergibt sich das richtige Framing meist automatisch.

Europäisches Forum Alpbach: Kann Online-Beteiligung mehr Menschen mobilisieren?

Dominik: Online Beteiligung allein löst nicht das Problem der Mobilisierung. Nur ein cleveres Prozessdesign kann Menschen mobilisieren, die sich normalerweise nicht beteiligen. Wichtig ist, dass es nicht darum geht, einfach mehr Menschen zu erreichen. Ziel muss es sein, diejenigen Zielgruppen zu erreichen, von denen wir uns relevante Ratschläge erwarten. Darauf aufbauend muss man sich überlegen, wie man diese Personen erreicht. Dabei ist Online nur eine von vielen Möglichkeiten. Mit anderen Worten, die Zielgruppe impliziert den Kommunikationskanal; die Fragestellung legt die EntscheiderIn auf Basis ihrer Herausforderung fest, wodurch auch die Zielgruppe definiert wird. Es ist schlicht der verkehrte Ansatz, es sich zum Ziel zu setzen, diejenigen Bevölkerungsgruppen zu beteiligen, die sich selten beteiligen.

Europäisches Forum Alpbach: Wie funktioniert Insights?

Dominik: Mit unserer Plattform bieten wir einen zentralen Ort für einen Beteiligungsprozess, an dem alles Wissen und alle Antworten der Teilnehmenden gespeichert und sichtbar sind. Nachdem wir alle Antworten sowohl offline als auch online gesammelt haben, gewinnen wir aus den Antworten die wesentlichen Erkenntnisse. Bei dieser Analyse können die Beteiligten selbst mitwirken. Methodisch suchen wir dabei nach Antworten, die Ähnliches aussagen und identifizieren das verbindende Element für jedes „Antwortcluster“. Dieses verbindende Element stellt eine Erkenntnis dar, die über den einzelnen Antworten steht und wertneutral ist. Manche Erkenntnisse basieren auf vielen ähnlichen Antworten, andere auf nur ganz wenigen. Damit stellen wir sicher, dass neben Mehrheitsansichten auch Mindermeinungen widergespiegelt werden. Nachdem die Entscheidung gefallen ist, erhält jede/r TeilnehmerIn ein personalisiertes Feedback, das zeigt, wie die eigene Aussage bei der Entscheidung berücksichtigt wurde.

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Quellen:

www.alpbach.org

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